Warum die Konfektionsgröße keine Rolle spielt
Die Konfektionsgröße – nur eine Zahl und doch für viele von uns Gradmesser unseres Selbstbildes. Wer kennt nicht den (fragwürdigen) Hype um die berüchtigte „Size Zero“? Oder den Wunsch, bei der Kleidergröße bloß nicht über die 38 zu rutschen? Aber woher kommt diese fast schon zwanghafte Zahlenfixierung bei vielen Frauen – und was kannst du dagegen tun? Im folgenden Artikel teilt Fitnesstrainerin und Sporternährungscoach Manuela Dannwolf ihre Gedanken dazu – und zeigt dir, warum du dein Leben nicht von Zahlen diktieren lassen solltest.
Shopping, Schaufensterpuppen und Schönheitsideale
Vielleicht kennst du das Gefühl: Du bist beim Shoppen in der Stadt und schlenderst entspannt die Einkaufsstraße entlang. Du knabberst genüsslich an den letzten Resten deiner Eiswaffel. Es ist ein schöner, sonniger Tag – du fühlst dich rundum wohl. Dann kommst du an einem stylischen Laden vorbei und entdeckst im Schaufenster die neuesten Outfits. Euphorisch gehst du in den Laden, probierst genau die Kombination an, die du gesehen hast, schaust in den Spiegel in der Umkleidekabine und stellst ernüchtert fest: irgendwie sah das im Schaufenster viel besser aus... Du probierst eine Nummer größer – doch immer noch schaut es nicht so lässig aus wie bei den Plastikfrauen im Schaufenster. Im Gegenteil: das Outfit wölbt sich unvorteilhaft über deine Hüften. An den Schenkeln spannt es unangenehm. Noch eine Nummer größer? Auf keinen Fall! Du lässt die Outfits in der Umkleidekabine hängen und verlässt deprimiert den Laden. Beim Weggehen scheint dich die perfekt gestylte Plastik-Lady verhöhnend anzugrinsen.
Dein Tag ist gelaufen. Du fühlst dich dick, unperfekt, hässlich und versinkst in schlechtem Gewissen. Du gehst ins Gym, um frustriert ein paar der lästigen Pfunde abzutrainieren, die sich an den unpassendsten Stellen an deinen Körper zu klammern scheinen. Danach isst du aus Frust einen ganzen Eimer Eis, weil es ja ohnehin keine Rolle spielt. In Gedanken lacht dich das Modepüppchen aus und flüstert dir hämisch ins Ohr: „Na, wieder eine Größe zugelegt?“ Die Negativspirale ist in vollem Gang. Und alles nur: wegen dieser einen Zahl!
STOP!
Lass uns einmal gemeinsam zum Anfang gehen und versuchen, die Negativ-Spirale zurückzudrehen.
1. Die Schaufensterpuppe
Was du siehst
Gertenschlank, hochgewachsen & androgyn – keine Wölbungen, keine Rundungen, keine Dellen. Künstliche Frauenmaße in Plastik-Perfektion, die uns erhaben hinter Schaufensterscheiben anlächeln. Die Looks perfekt, der Style immer passend. Die Outfits sitzen locker und umspielen neckisch die schlanken Kurven, die eigentlich keine sind.
Wie es wirklich ist
Das, was uns da in den Schaufenstern anlächelt, ist sehr weit weg von der Durchschnittsfrau in Deutschland. Diese ist laut statistischem Bundesamt 1,66 m groß, wiegt 68,7 kg und hat einen BMI von 25,1 (Auswertung von 2017). Dennoch: was unser Denken bestimmt sind die „perfekten“ Frauen aus Modemagazinen, Social-Media-Profilen und hinter Schaufensterscheiben.
Wie du die Spirale durchbrichst
Stell dir, wenn du vermeintlich perfekte Körper siehst, die oben skizzierte Durchschnittsfrau daneben vor. Sieht sie nicht sehr viel schöner aus als das verzerrte Realitätsabbild? Sie mag vielleicht ein paar Dellen haben, ist vielleicht an der ein oder anderen Stelle etwas weicher oder üppiger – aber: sie ist echt. Sie hat Leben in sich. Sie ist einzigartig. So wie du.
2. Der Spiegel
Was du siehst
Wer kennt ihn nicht: den Spiegel in der Umkleide. Es scheint, als habe jedes Kaufhaus und jeder Modeladen der Welt einen Zerrspiegel, auf dem man jede Delle, jeden Pickel und jede Falte in Vergrößerungsoptik sieht. Hinzu kommt ein Licht, das einer Neonröhre beim Zahnarzt gleicht. Ähnlich verhält es sich oft mit unserem Selbstbild: Es ist verzerrt. Wir sehen nur die Makel, schauen sie uns schonungslos unter der Lupe an – während wir „die anderen“ in Weichfilter packen.
Wie es wirklich ist
Niemand ist perfekt! Nicht du, nicht die Frauen in Zeitschriften und auch nicht die so genannten „Influencer“ auf Social Media. Einzig vielleicht die Schaufensterpuppe – aber wer möchte schon eine Puppe sein?
Wie du die Spirale durchbrichst
Leg den Zerrspiegel weg und entspanne dich. Du bist gut so, wie du bist. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass das Streben nach Perfektion und einem vermeintlich makellosen Körper bedeutend mehr Energie kostet als die Leichtigkeit und das Akzeptieren des Ist-Zustandes - was übrigens nicht heißt, dass du nicht auf ein Körperziel hinarbeiten kannst. Du solltest es jedoch im richtigen „Licht“ und mit dem richtigen Fokus tun.
3. Die Zahl
Was du siehst
Zahlen sind wichtig. Sie geben uns Ordnung und Orientierung. In Sachen Gewicht und Körperliebe sind sie oftmals eher ungünstig – vor allem, wenn man sich auf die falschen Zahlen fokussiert. Wiegst du dich täglich und fühlst dich schlecht, wenn die Zahl auf der Waage nicht das erhoffte Ergebnis zeigt? Oder fühlst du dich minderwertig, wenn du zu einer größeren Konfektionsgröße greifst? DAS sind definitiv die falschen Zahlen.
Wie es wirklich ist
Die Zahl, die auf der Waage steht, sagt nichts über deine Körperzusammensetzung oder deine Fitness – und vor allem nichts über deinen Selbstwert - aus. Dein Gewicht schwankt je nach Wasserhaushalt, Uhrzeit, vorangegangener Mahlzeit und Monatszyklus. Krafttraining wird dein Gewicht u.U. erhöhen – aber dafür bist du stärker, fitter und besser "in shape". Bei der Konfektionsgröße verhält es sich ähnlich. Erstens fallen Größen je nach Hersteller unterschiedlich aus und können von daher immer nur ein Anhaltspunkt sein. Zweitens kommt es immer extrem auf den Schnitt ein, ob dir ein Teil steht oder nicht. Eine Nummer größer ist da manchmal schlichtweg besser. Und drittens kann sich, wenn du entsprechend trainierst, dein Muskelquerschnitt vergrößern. Sprich: vielleicht bekommst du kräftigere Oberschenkel, stärkere Arme oder einen breiteren Rücken und musst dadurch auf eine andere Größe wechseln. Aber ist das nicht ein Grund, auf den du stolz sein kannst?
Wie du die Spirale durchbrichst
Fixiere dich nicht auf Zahlen, sondern nimm sie maximal als lockere Orientierung. Wenn dich das tägliche Wiegen runterzieht, lass es! Wenn dich die Kleidergröße stört, trenne das Etikett nach dem Kauf heraus! Spür in dich hinein, fühle dich und höre auf dein Bauchgefühl. Sei dir dabei immer bewusst: Du bist mehr als nur eine Zahl!
Nochmal die wichtigsten Punkte zusammengefasst. Schreib sie dir am besten auf oder sage sie dir immer wieder in Gedanken als kleines Mantra auf. Abnehmen ist OK, aber:
- Hinterfrage dein Körper-Zielbild kritisch.
- Vergleiche dich nicht mit fragwürdigen Schönheitsidealen.
- Du musst nicht gertenschlank sein, um glücklich zu sein!
- Ein gesunder Lebensstil ist wichtiger als deine Konfektionsgröße!
- Echt sein ist besser als fake!
4. Die Schaufensterpuppe - Teil zwei
Und jetzt lass uns gemeinsam nochmal zurück zum Anfang gehen… Du schlenderst entspannt die Einkaufspassage entlang, naschst deine Eiswaffel und entdeckst ein tolles Outfit im Schaufenster. Du gehst in den Laden und probierst es an. Die Größe passt nicht. Du lässt dich von der netten Verkäuferin beraten und sie bringt dir zwei weitere Größen. Eine davon sitzt perfekt. Du trittst aus der Umkleide und schaust dich wohlwollend im Spiegel an. Eine andere Kundin macht dir ein Kompliment und bittet die Verkäuferin um das gleiche Outfit, da es dir so super steht. Weil du dich wohl darin fühlst, lässt du es direkt an. An der Kasse erhältst du einen Rabatt von der Käuferin – schließlich hat die andere Kundin das Outfit ebenfalls gekauft. Du lächelst und trittst vor die Tür. Dabei fällt dein Blick auf die Schaufenster-Puppe. „Schick“, scheint sie dir zwinkernd zuzuflüstern. Mit wippenden Hüften stolzierst du an ihr vorbei, gehst motiviert zum Sport, danach in die Sauna und am Abend gönnst du dir ein leckeres Essen mit Freunden. „Toll schaust du aus“, sagt deine Freundin. „Neues Outfit?“
Am Abend fällst du glücklich ins Bett. Was für ein schöner Tag. „Zum Glück bin ich keine Puppe!“ denkst du, bevor du zufrieden einschläfst. Welche Konfektionsgröße das Outfit hatte? Keine Ahnung.
Na, welche Geschichte hat dir besser gefallen? An dieser Stelle möchte ich dir noch drei Zahlen mit auf den Weg geben:
- Du hast jeden Tag 24 Stunden Zeit, um zu entscheiden, welche Geschichte DU schreiben möchtest.
- Gehe dabei 100% deinen eigenen Weg und
- lass dich bloß nicht von „Nullen“ dabei aus dem Konzept bringen.
Ich hoffe, das kleine Zahlenexperiment hat dir Spaß gemacht.
Deine Manuela.
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